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Dass unsere Aquarienfische erkranken können, wissen wir scheinbar nur aus einschlägigen Büchern. Entsprechende Berichte finden wir in unseren Aquarienzeitschriften nur äußerst selten. Dabei erweist sich im persönlichen Gespräch, dass in unseren Becken Oodinium wohl allgegenwärtig ist. Ist dies wirklich Oodinium?
Oodinium wurde vor gar nicht so langer Zeit entdeckt. D. L. Jacobs beschrieb 1946 Oodinium limneticum. Drei Jahre später bildete J. Weiser einen ganz ähnlichen Einzeller an Salmo trutta L. aus Böhmen ab. Schließlich fand Schäperclaus einen Ektoparasiten auf der Haut des Fadenfisches Colisa lalia Ham.-Buch. sowie der Karausche Carassius carassius L., den er 1951 als Oodinium pillularis beschrieb und als "Colisa-Parasit" bezeichnete. Zu diesem Zeitpunkt waren die Epidemien, die Oodinium ocellatum in Seewasseraquarien ausgelöst hatten, noch in frischer Erinnerung.
In der jüngeren Literatur (Bauer, 1991) wird Oodinium unterteilt und als Amyloodinium (mit der im Meerwasser lebenden Art A. ocellatum), Crepidoodinium (ebenfalls im Meerwasser: C. cyprinodontum), Piscinoodinium (mit den Süßwasser im lebenden Arten P. pillulare - im Aquarium vor allem an Killifischen und Labyrinthfischen - und P. limneticum) bezeichnet.
Während Berichte über die Krankheit und ihren Verlauf in der jüngeren Zeit eher selten sind, zeigen die populären Namen, dass sich die Aquarianer wohl häufiger mit ihr auseinandersetzen müssen, als es ihnen lieb ist. So wird die Trübung der Haut, die sich bei dichterem Besatz in einem graubraunen bis gelblichen Belag zeigt, in England als "rust" oder "gold-rust", inzwischen wohl überwiegend als "velvet disease" oder nur kurz "velvet" bezeichnet. Bei uns hat sich der Name "Samtkrankheit" oder nur einfach "Oodinium" durchgesetzt. Allerdings wird neben der Haut die gesamte Fischoberfläche befallen. Die einzelligen, parasitisch lebenden Algen heften sich somit auch auf den Kiemen und über die Mundhöhle in Schlund, Magen und Darm fest. Ohne Behandlung sterben die Fische.
Mich selbst nervte seit etlichen Jahren ein Krankheitsbild, dass fast stets bei neu angeschafften Südamerikanischen Bodenlaichern auftrat. Innerhalb weniger Tage hatten diese Fische gerötete Flächen an den Körperseiten und verstarben binnen kürzester Zeit. Schließlich ging ich dazu über, diese Neuerwerbungen sogleich zur Zucht anzusetzen. Alle Handlungen gerieten zu einem regelrechten Wettlauf, um vor dem Verenden der Tiere noch ein paar Eier zu erhalten. Merkwürdigerweise traten bei den jeweiligen Nachzuchten diese Symptome nicht ein einziges Mal auf. Nachdem mir eine mikroskopische Untersuchung nicht möglich war, gab ich keine Medikamente zu und setzte alle Hoffnung auf die Nachzucht. Ich halte nichts von diesen Behandlungsversuchen, denen nicht einmal andeutungsweise eine Diagnose zugrundliegt. Ihr müsst nur einmal einen Blick in eines dieser aquaristischen Foren im Internet werfen, um zu ermessen, wie weit diese unkontrollierte Medikation reicht, die zudem immer mit der Frage endet: Was kann ich noch tun, meint aber: was kann ich noch geben?
Dabei gibt es eine ganze Reihe von Monographien, die ein zielgerichteteres Handeln ermöglichen. In einem dieser Bücher (Untergasser, 1989) fand ich durch Zufall das bei meinen Fischen immer wieder aufgetretene Krankheitsbild in einem Foto (Seite 24) so treffend dargestellt, dass für mich kein Zweifel blieb. Es handelt sich um Ichtyobodo (Der bekanntere Gattungsname Costia wurde aus systematischen Gründen von Lequerq durch Ichthyobodo ersetzt, s. Bauer, 1991). Fachartikel lassen vermuten, dass diese Erkrankung zahlenmäßig häufiger als Oodinium auftritt (Müller u.a., 1988). Für den Laien sehen die ersten Krankheitsstadien jedoch ähnlich aus, so dass wohl aus diesem Aspekt heraus häufig bei Oodinium die Anwendung von "etwas" Kochsalz empfohlen wird, wie mir dies erst vor einigen Wochen widerfahren ist. Dass dies der falsche Weg sein kann, zeigt ein Vergleich der gängigen Behandlungsmethoden
.Bei der nachfolgenden Aufstellung habe ich mich nur auf die wesentlichen Angaben beschränkt. Es gibt Nebenwirkungen, die es angezeigt sein lassen, im konkreten Fall vor einer Behandlung genauer nachzulesen, um nicht unnötige Fischverluste zu erleiden:
1)Oodinium pillularis
2)Ichthyobodo necator
Zu behandelnde Krankheit | Anzuwendendes Mittel | Dosierung usw. | Anmerkungen |
---|---|---|---|
1 + 2 | Formaldehyd (CH20, Formalin) (Handelsform 37 - 40 %) |
Kurzzeitbad im seperaten Behälter 1- 10 ml/100 l Wasser, max. 45 Minuten. | Bei höherer Dosierung als 10 ml/100 l kann Anwendung tödlich wirken. |
1 + 2 | FMC (=Verbindung von Formol/Formalin + Methylenblau + Malachitgrünoxalat) |
Stammlösung: 1 l Formol + 3,7 g Methylenblau + 3,7 g Malachitgrünoxalat - zinkfrei. Von Stammlösung 1 - 1,2 ml/100 l Wasser. Bei Bedarf Behandlung fortsetzen: Nach einem Tag Hälfte Aquarienwasser austauschen, noch einmal halbe Dosis FMC. Nach 10 Tagen ggf. wiederholen. |
Höhere Toxizität bei saurem Wasser und bei kleineren Fischarten. |
1 + 2 | Kochsalz (NaCl) | Kurzbad unter Beobachtung 15 Minuten in 1,5 - 2% Lösung (15-20g NaCl/l) oder 20 Minuten in 1 - 1,5% Lösung (10-15g NaCl/l) |
Fische beobachten. Wenn sie taumeln, aus Kurzbad herausfangen. |
1 + 2 | Methylenblau | 0,3 - 0,5 g/100 l 3 - 5 Tage in einem getrennten, pflanzenfreien Becken. Solange Färbung sichtbar, ist das Medikament wirksam. | Entfernung über Aktivkohle. |
2 | Malachitgrünoxalat (zinkfrei) | 0,04 mg/l. Bei genannten Stammlösung 1 ml auf 100 l Aquarienwasser. | Stammlösung (üblich 4,0 g/l) lichtempfindlich. |
1 + 2 | Chininhydrochlorid/Chininsulfat | 1-1,5/100 l Wasser 2 - 3 Tage lang. | Chininhydrochlorid ist besser löslich und weniger anfällig gegen einen niedrigeren pH-Wert des Wassers als Chininsulfat. |
1 | Kupfersulfat | Stammlösung: 4g + 0,25 g Zitronensäure/l, |
davon 20 ml auf 100 l Wasser (= 0,8 mg/l) 3 - 10 Tage baden. Ggf. am 4. und 7. Tag halbe Anfangsdosis nachgeben. |
Die "Rezepte" variieren je nach Autor.
Beim Studium der empfohlenen Anwendungen fiel mir auf, welche Wissenslücken formuliert werden. Eindeutig wird hervorgehoben, dass konkrete Ergebnisse aus der aquaristischen Praxis die Empfehlungen präzisieren helfen sollten. Dies ist auch gut nachvollziehbar. In einem eingerichteten, bepflanzten Aquarium reagieren die Wirkstoffe oft abweichend zu den Ergebnissen unter Laborbedingungen.
Bei den beiden Krankheitsbildern könnten wir auch auf die sogenannte Wärmetherapie zurückgreifen. Hierbei wird die Temperatur für einige Zeit langsam auf 33 - 34º C angehoben. Nachdem die Fische hierbei sehr belastet werden und Ausfälle befürchtet werden müssen, wird häufig die Chemotherapie vorgezogen. Wer "ökologisch" handeln will, kann es jedoch auf diesem Weg versuchen und sollte über seine Erfahrungen berichten.
Der Tabelle könnt ihr zweierlei entnehmen. Zum einen eignen sich viele Mittel für die Behandlung von Oodinium ebenso wie für Ichthyobodo. Daraus erklärt sich das subjektive Empfinden, Oodinium bekämpft zu haben, obwohl es eher Ichtyobodo war.
Zum anderen ist das bereits im Vorspann dargestellte Resümee zu ziehen: Geringe Salzzugaben nutzen bei der Bekämpfung von Oodinium rein gar nichts.
Zusammenfassend möchte ich festhalten, dass sich eine genaue Diagnose im Interesse der von uns gehaltenen Pfleglinge lohnt. Nur dann ist eine zielgerichtete Behandlung möglich. Ohne diese Diagnose stellt Kochsalz eine unsichere Hilfe dar. Hier sind die in der Tabelle genannten anderen oder käufliche Mittel wegen ihrer Mehrfachwirkungen vorzuziehen.
Literatur:
Amlacher, Erwin (1986): Taschenbuch der Fischkrankheiten. Grundlagen der Fischpathologie. 5. Aufl. Fischer Verlag, Jena.
Bauer, R. (1991): Erkrankungen der Aquarienfische. Berlin, Hamburg, Parey.
Müller, E. u. a. (1988): Zierfischkranheiten in Norddeutschland. 61 - 73. In: DVG/Fachgruppe Fischkrankheiten: Tagung der Fachgruppe "Fischkrankheiten" und der Fachgruppe "Zootierkrankheiten".
Ott, Dieter (1993): Der Kochsalzzusatz. DKG-J. 25(7): 104 - 106.
Reichenbach-Klinke, H. H. (1957): Krankheiten der Aquarienfische. Kernen Verlag, Stuttgart.
Untergasser, Dieter (1989): Krankheiten der Aquarienfische: Diagnose und Behandlung. Franckh, Stuttgart.
Wilke, H. (1979): Ein Heilmittel bei akutem Oodiniumbefall: Wärme. AM: 308.
Witzke, S. u. a. (1989): Überblick über gängige Therapeutika in der Zierfischtherapie. 158 - 175. In: DVG/Fachgruppe Fischkrankheiten: Tagung der Fachgruppe "Fischkrankheiten" und der Fachgruppe "Zootierkrankheiten".
Engel, Gerd (1992): Schon wieder Oodinium. DKG-J. 24(1): 11-13.